
Zum Beschluss, Werder zur wolfsfreien Zone zu erklären
Ein Beitrag von Oliver Ungerath (Werderaner Bürger, Mitglied der StadtMitGestalter und Wolfsbotschafter beim NABU)
„Es ist eine Schande”, so ein Zwischenruf nach der Abstimmung über Tagesordnungspunkt 5 bei der Stadtverordnetenversammlung am 13. Dezember. Soeben hatte die CDU-Fraktion zusammen mit dem früheren AfD-Abgeordneten ihrem eigenen Antrag zugestimmt, Werder (Havel) solle zu wolfsfreien Zone werden.
Die Beschlussvorlage der CDU entstammt einer Kopiervorlage der Internetseite www.wolfsfreiezone.de, einer Seite des Bauernbundes Brandenburg, der hier hemmungslose Hetze gegen den Wolf betreibt. Es wird darin gefordert, dass der Schutz des Wolfes auf europäischer Ebene gelockert wird und dass der Wolf bejagt werden darf, wobei Schweden als Beispiel dient. Letztlich solle der Wolf höchstens noch auf Truppenübungsplätzen, Tagebaukippen und Naturreservaten unbehelligt bleiben. In genau dieser Form ist die Forderung nach „wolfsfreien Zonen“ auch schon in anderen Gemeinden beschlossen worden. (Die gesamte Beschlussvorlage ist hier nachzulesen: http://www.ratsinfo-online.de/werder-havel-bicms/vo020.asp?VOLFDNR=3634“)
Der Abstimmung war eine leidenschaftliche Diskussion vorausgegangen. In einem klugen und fachkundigen Redebeitrag hatte diese Dr. Claudia Fehrenberg von der Fraktion „Freie Bürger Werder“ eröffnet. Sie nannte zahlreiche Fakten zum Wolf, stellte fest, dass noch kein Nutztier in Werder gerissen worden sei und sagte: „Dafür zu sorgen, dass unsere Natur nachhaltig geschützt wird, das haben wir uns in unsere Leitlinien geschrieben. Dazu gehört auch, dass wir dem Zuwanderer Wolf seinen Raum gewähren. Sie können in Schweden, in Italien, in den Pyrenäen oder in Kanada ebenso unbeschwert ihre Freizeit in den Wäldern genießen wie hier in Brandenburg.“
Ebenso stellte Dr. Fehrenberg fest, „dass die Weichenstellung des Landes Brandenburg nicht transparent, nicht einheitlich und schwer nachvollziehbar ist. Das Landesumweltamt hat offenbar nicht ausreichend Fachkompetenz, die Fachstellen sind darüber hinaus nicht ausreichend verknüpft, die Entschädigungen dauern viel zu lange und die Tierhalter fühlen sich häufig allein gelassen.“ Und sie stellte die Frage an die CDU: „Was ist denn hier Ihre Triebfeder für eine solche Beschlussvorlage? Ist es ein Mitlaufen mit einer Gruppe misstrauischer Wutbürger, die ‚schieß tot‘ als Lösung anbieten?“
Erwidert wurde der Beitrag seitens der CDU-Fraktion zuerst von Hermann Bobka, der halbherzig den Antrag verteidigte; es wurde deutlich, dass die kopierte Beschlussvorlage in der CDU-Fraktion nie durchdacht wurde und dass ihm völlig unklar war, was da eigentlich zu beschließen war. Anschließend machte Klaus Behrendt aus Derwitz (ebenfalls CDU) klar, dass es ihm als Jäger vor allem darum gehe, dass sich nun nicht mehr so leicht jagen lasse wie bisher.
An dieser Stelle soll nun einmal an die Fakten um den Wolf im Werderaner Gebiet erinnert werden. In Brandenburg gibt es knapp 30 Rudel. Ein Rudel ist jeweils ein Paar Wölfe mit ihren Welpen des letzten und des vorletzten Jahres, also eine Familie. Aufgrund der hohen Sterblichkeit der Welpen vor allem im ersten Lebensjahr handelt es sich dabei um etwa 6-10 Tiere, zwei Erwachsene ihr Nachwuchs. Diese beanspruchen ein Revier von ca. 200-300 km². Die Werder nächst gelegene Wolffamilie lebt bei Lehnin. Diese Wölfe wandern insbesondere in der Nacht ihr gesamtes Revier ab. Dabei kommen sie auch durch das Werderaner Gemeindegebiet. Platz für ein weiteres Wolfsrudel ist hier nicht, da die Lehniner Wölfe ihr Territorium verteidigen.
Insofern ist nicht mit der Niederlassung zusätzlicher Wölfe in der Gegend zu rechnen. Nach dem zweiten Lebensjahr verlassen Wölfe ihre Familie und beginnen zu wandern, um ein eigenes Revier zu finden. Vorwiegend diese sind es, die immer mal wieder in Dörfern gesehen werden, weil sie sich nicht auskennen, neugierig sind, Erfahrung sammeln und herausfinden, wo Platz für sie ist. Für Menschen können die extrem seltenen Wölfe als ungefährlich angesehen werden. Gefährlich sind für Menschen im Wald schon eher die häufigen Wildschweine, denen man in die Quere kommen kann und das gefährlichste Tier in deutschen Wäldern, an dem jährlich viele Menschen sterben, ist die Zecke. Und trotzdem lässt sich von diesen realistischen Gefahren niemand vom Pilzesuchen oder Spazierengehen abhalten. Hinsichtlich der Weidetierhaltung ist festzustellen, dass jahrtausendelang die Menschen in unserer Region als Bauern neben dem Wolf lebten, und immer hatte es Vieh gegeben. Nur heute soll dies nicht mehr möglich sein? Es ist nur eine Frage des Schutzes, wie man z. B. bei der Streuobstwiese in Glindow sehen kann, wo die Schafe sicher vor Wölfen gehalten werden.
Aber all dies interessiert die CDU-Fraktion nicht. Sie begründet ihren Antrag mit falschen Behauptungen („Überall auf der Welt … wird er gejagt“ oder „die Schädigung der Weidetierhalter … nimmt existenzbedrohende Formen an“). So werden in Europa weder in Griechenland, noch in Italien, in Spanien, in Frankreich, oder in Polen Wölfe bejagt. Wölfe reißen zu über 95 Prozent Wild, Landwirte werden entschädigt, sofern die Schutzmaßnahmen normgerecht waren. Und der Hinweis auf das Vorbild Schweden mit seinen „Lizenzjagden“ ist sehr merkwürdig, da gegen Schweden gerade deshalb ein Vertragsverletzungsverfahren der EU läuft. Rechtsbruch als Vorbild?
Der Wolfsmanagementplan des Landes Brandenburg sieht vor, dass bei Rissen von Weidetieren ein Gutachter feststellen muss, ob es ein Wolf war und ob die vorgeschriebenen Schutzmaßnahmen eingehalten wurden. Dass hier vieles sehr bürokratisch läuft, für Tierhalter lange Wartezeiten auf Entschädigung entstehen und dass manches verbessert werden könnte ist sicher richtig und wurde vor Fr. Dr. Fehrenberg auch angesprochen. Aber der Antrag der CDU zielte eben nicht darauf hin, auf die Landesregierung einzuwirken, dass hier die Abläufe verbessert werden, sondern darauf, den Wolf endlich abschießen zu dürfen.
Was dem Beobachter hier auffällt, ist das Verhalten derselben Fraktion bei der Abstimmung zu den potenziellen Windrädern im Bliesendorfer Wald und anschließenden Gebiet einige Tagesordnungspunkte später. Dieses differenzierte Waldgebiet mit zahlreichen seltenen Tierarten ist eindeutig schutzwürdig. Das wurde auch von der CDU betont und mit Verweis darauf der Antrag auch angenommen, dem Bau der Windräder die Zustimmung zu versagen. Hier also bekennt man sich zum Schutz bedrohter Spezies, beim Wolf als potenziell jagdbarem Wild soll das aber nicht gelten. Da haben die Fledermäuse im Bliesendorfer Wald aber Glück, dass sie nicht gejagt werden! Letztlich erscheint es doch so, als ob Schutz der Umwelt und bedrohter Lebewesen durchaus kein Anliegen der CDU in Werder ist, obwohl doch christliche Grundhaltung sein sollte, „die Schöpfung zu bewahren“. Vielleicht ist der Grund für die Ablehnung der Windräder ja doch eher die Optik. Denn auch Peter Kreilinger von der CDU-Fraktion äußerte sich bei der letzten Sitzung der Stadtverordneten am 20.9. abfällig so, dass der Schutz „irgendwelcher Eidechsen oder Vögel“ jedes Bauvorhaben behindere.
Zuletzt sei darauf hingewiesen, was auch Dr. Fehrenberg vor den Stadtverordneten erklärte: Gemäß einer „Ausarbeitung der Rechtsabteilung des Deutschen Bundestages … mit der Fragestellung der Vereinbarkeit der Ausweisung wolfsfreier Zonen mit dem Naturschutzrecht“ ist festzustellen: „Die Ausweisung einer sogenannten wolfsfreien Zone ist rechtlich nicht zulässig. Es fehlt an einer rechtlichen Grundlage für den Gemeinderat, eine solche Zone zu erklären. Für rechtswidrige Gemeinderatsbeschlüsse besteht die Möglichkeit der Beanstandung durch die Kommunalaufsicht.“
Auch dies hielt die CDU-Fraktion und den ehemaligen AfD-Abgeordneten nicht von ihrem schändlichen und sinnlosen Beschluss ab. Die Bürgermeisterin Manuela Saß, die sich der Stimme enthalten hatte, kündigte aber immerhin an, ihn prüfen zu lassen, und Anja Spiegel von der SPD teilte mit, dass der Beschluss der Kommunalaufsicht vorgelegt werde.