
Der 4. Stadtspaziergang am 7. April war eine Stadtspazierfahrt mit dem Rad durch Werder. Angemeldet als Demonstration konnten 50 Teilnehmer, gut beschirmt durch Polizei und mit Ausnahmegenehmigung, entspannt eine große Runde fahren. Vom Hartplatz aus durch die Potsdamer Straße, entlang der Berliner Straße, durch die Brandenburger und Eisenbahnstraße ging es bis zur Marina in den Havelauen.

Unter diesen Bedingungen ein echtes Vergnügen, ansonsten finden Radfahrer normalerweise aber schlechte Bedingungen vor.
In einem auf die Zukunft gerichteten Verkehrskonzept sollte neben dem Auto- und Fußgängerverkehr der Radverkehr eine zentrale Rolle spielen. Im Leitbild der Stadt Werder von 2017 wird er nur einmal erwähnt, im Zusammenhang mit touristischen Wegen. Andererseits sollte gemäß Leitbild die Stadt von Verkehrsströmen entlastet werden – wäre hier nicht eine Entlastung vom Autoverkehr durch mehr Radnutzung denkbar?
Dazu aber werden sichere Verkehrswege für alle notwendig – im Sinne der Nachhaltigkeit gälte es den Radverkehr besonders zu fördern, denn:
- Er macht keinen Lärm
- Braucht wenig Raum
- Erzeugt keine Schadstoffe
- Kostet wesentlich weniger – sowohl Kommune als auch Nutzer
- Gefährdet andere kaum
- Fördert nebenbei die Gesundheit
Und die modernen Radverkehrsmittel wie Pedelecs und E-Bikes ermöglichen weitere Strecken und Fahrten auch für Menschen, die das Fahrrad sonst weniger nutzen würden. Außerdem bringt Werder topografisch ausgezeichete Voraussetzungen mit, und nebenher werden herrliche Landschaftsblicke ermöglicht.
Leider sieht die Realität in Werder sehr bescheiden aus, insbesondere für diejenigen, die den Radverkehr für die schnelle Bewältigung von Strecken von A nach B nutzen wollen: Zur Schule, zur Arbeit, zu Pendlerumsteigeplätzen, zum Einkaufen etc. Dies gilt sowohl für den fahrenden als auch den ruhenden Radverkehr.
Während die Verkehrsführungen für Autofahrer überall klar sind, gibt es für Radfahrer einen bunten Vielfalt an Einrichtungen: Radwege rechts und links an der Straße, getrennt von der Fahrbahn und an der Fahrbahn, mit und ohne Fußgängerverkehr, als „Schutzstreifen“, Strecken ganz ohne Radfürung und sogar eine Fahrradstraße, deren Regelungen aber kaum jemandem bekannt sind. Allen gemein ist, dass die verschiedenen Streckenabschnitte kaum verbunden sind und daher häufig sinnlose Regelungen existieren. Noch dazu sind viele Radwege vorschriftswidrig viel zu schmal und kaum gepflegt, insofern oft sehr heruntergekommen.
Einige Beispiele auf den beim Stadtspaziergang befahrenen Strecken seien hier gezeigt:
- Auf der Berliner Straße von Potsdam kommend endet der Radstreifen unmarkiert in einer Grünfläche. Linksabbiegemöglichkeiten Richtung Strengfeld sind nicht vorgesehen.

- Ebenfalls Berliner Straße: vereinzelt sehr schmale Radwege mit viel zu engen Kurvenradien, schrägen Bordsteinkanten, viel zu schmal und zur Hälfte zugewachsen.

- Auch zwei Jahre nach den Baumfällarbeiten an der Berliner Straße ragen unmotiviert Verengungen unmarkiert in den ohnehin zu schmalen Fuß- und Radweg, dazu kommen hochstehende Randsteine und Schachtdeckel. So etwas gefährdet nicht nur den Verkehr, sondern führt auch dazu, dass man derartige Radwege nicht nutzen sollte.

- Was eigentlich hat man sich an der Kreuzung Berliner / Brandenburger Straße gedacht? Abbiegen von der korrekten Radwegseite Richtung Brandenburger Straße ist wieder einmal nicht vorgesehen.

- An der Kreuzung Brandenburger / Eisenbahnstraße ist Richtung Bahnhof abbiegender Radverkehr nicht vorgesehen. Oder doch: Mit einer mindestens einer Ampelphase längerer Wartezeit als der Kraftverkehr und gleichzeitigem Blockieren des Radwegs kann man hinter der Kreuzung abbiegen! Die Alternative wären leicht zu schaffende Aufstellbereiche für Radfahrer vor den Autos auf den jeweiligen Spuren der Fahrbahn.

- Die Variante „Radweg an der Straße“ in der Eisenbahnstraße. Wie sehr dieser durch Autofahrer respektiert wird erkennt man an den abgefahrenen Linien und den regelmäßig darauf parkenden Autos vor dem Geldautomaten.

- Noch relativ neu: Die „Schutzstreifen“ an der Eisenbahnstraße. Nachgewiesenermaßen führen diese Streifen zu dichterem Vorbeifahren durch Autofahrer. Zur Erinnerung: 75 cm Abstand von der Gehwegkante für Radfahrer, 1 m für den Radfahrer selbst, 1,5 m Mindestabstand durch Autofahrer – überholen darf man nur, wenn man im Auto mindestens 3 m Platz hat vom rechten Fahrbahnrand. Aber wer hält sich daran?

- Neue Ideen werden gebraucht – warum nicht einmal testweise die Potsdamer Straße für Autos zur Einbahnstraße machen? Im Zusammenhang mit der Führung des Kraftfahrzeugverkehrs stadteinwärts durch die Moosfennstraße und stadtauswärts durch die Potsdamer Straße entstünde ein großer Kreis-Verkehrsstrom, der die Belastungen besser verteilte. Diese Änderungen wären mit sehr wenig Aufwand machbar, und nach einer gewissen Testphase wüsste man, welche Auswirkungen sich tatsächlich ergäben. Unabhängig davon sollten aber in Werder grundsätzlich vorhandene Einbahnstraßen für Radfahrer in beide Richtungen geöffnet werden!

- An den Havelauen ist eine „Fußgängerzone“ eingerichtet, an der Brücke dahinter sollen Radfahrer, die bis dahin ja gar nicht fahren dürf(t)en, absteigen. Wer hat sich denn das ausgedacht?

Für alle diese Probleme gibt es längst praktikable Lösungen, in Werder findet sich keine davon. Alle Radstrecken sind untereinander nicht verbunden, nirgendwo wird Radverkehr ernsthaft mitgedacht und dafür mitgeplant…
Neben den Defiziten beim „fahrenden Radverkehr“ gibt dieselben Probleme beim „ruhenden Radverkehr“. Abstellmöglichkeiten fehlen gänzlich. Dabei wären diese gerade am Bahnhof, an den Umsteigestellen zum ÖPNV, im Zentrum – vor allem vor der Insel -, an den Schulen, an weiteren öffentlichen Einrichtungen etc. dringend notwendig. Wenn Fahrradständer vorhanden sind, dann „Vorderradquetschen“, von modernen Bügeln (der einzigen sinnvollen Abstellform zum Abschließen von Rädern) ist nichts zu finden. Dabei wäre die Schaffung solcher Plätze so einfach, benötigt doch ein Fahrrad nur ca. 1,2 m² Platz, ein Parkplatz für ein Auto aber 12,0 m².

Am Parkplatz könnten für 5 Stellplätze von Autos (in denen meist auch nur ein Fahrer sitzt!) 50 Stellplätze für Radfahrer entstehen. Ebenso wären im Parkhaus problemlos Radparkbereiche einzurichten. Auch Boxen für Fahrräder zum regenfesten Aufbewahren existieren vielerorts – leider nicht in Werder.

Die Förderung des Radverkehrs mit besseren Angeboten könnte der Beginn eines besseren Miteinanders sein: Fahren mehr Menschen Rad, gewöhnen sich Autofahrer eher an das Miteinander, so dass das vielleicht noch mehr Menschen umsteigen, was wiederum den Autoverkehr verringert… Dabei geht es nicht um „Zwang“ oder „Erziehung“, sondern um Angebote mit positiven Folgen für alle. Und natürlich um Gleichberechtigung!!! Dass das funktioniert, kann man in vielen Städten sehen.
Im übrigen: Radverkehr ist billig – die Ausgaben für vernünftige Radführungen liegen weit unter den Kosten von Straßen. Schade, dass man das in Werder in den vergangenen Jahrzehnten nicht erkannt hat. Aber wir könnten endlich anfangen!
Autor und Artikelbild (ganz oben): Oliver Ungerath
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