Liebe Werderanerinnen und Werderaner,
der Jahreswechsel steht bevor und wir schauen auf ein aufregendes Jahr 2019 zurück. Wir wollen die Ruhe vor den Feiertagen nutzen und die Ereignisse des Jahres hier kurz Revue passieren lassen.
Aber zuerst möchten die StadtMitgestalter allen Werderanerinnen und Werderanern danken, die uns unterstützen. Wir bleiben dran – eine andere Politik ist möglich! Und wir wollen hier auch unseren politischen Gegnern ein besinnliches Weihnachtsfest wünschen. Vielleicht gelingt es, uns im nächsten Jahr auf Augenhöhe mit mehr Respekt und eventuell auch etwas Wohlwollen zu begegnen.
Das Jahr 2018 klang verhältnismäßig ruhig aus. Die Schlachten um das Bürgerbegehren waren verloren und unsere Mitglieder mit dem Lecken ihrer Wunden beschäftigt. Im Stadtwald und am Ufer der Havel versuchten wir unsere Seele zu beruhigen. Doch unter der Oberfläche gab es hitzige Diskussionen darüber, ob und wie wir uns der demokratischen Selektion bei den Kommunalwahlen stellen. Während einige lieber als “Außerparlamentarische Opposition” weiter gestänkert hätten, wollten andere eine “Kümmererpartei” etablieren und wieder andere “klare Kante” zeigen.
Die Triebfeder der Politik ist meist Eitelkeit, Ehrgeiz, Machtwille, nur selten Habsucht und noch seltener der uneigennützige Wille, einer Idee oder einer Menschengruppe zu dienen.
Richard Graf von Coudenhove-Kalergi
Am Ende setzten sich die ehrgeizigen Streiter für eine moderne, transparente und partizipative Politik durch und prägten die neue Satzung des Vereins. Aus einer Bürgerinitiative war eine Wählervereinigung geworden. Dem Leser sei es überlassen, diese Entscheidung zu bewerten – aber er möge die Sache mit dem Glashaus nicht vergessen.
Für die Presse waren wir der “Frische Wind für das Stadtparlament”, auch wenn der zunächst gewählte Wahlkampfslogan “Werder kann mehr” sehr gewöhnlich und in unserer Stadt nicht unverwechselbar war. Für lauter Möchtegern-Politiker ist die Entwicklung einer Wahlkampfkampagne eben Neuland. Doch wir lernten schnell dazu. Statt ein Programm im stillen Kämmerlein zu stricken, entschieden wir uns für etwas, was in Werder bis dahin einzigartig war und ließen das Wahlprogramm einfach durch unsere potentiellen Wähler mitentwickeln. Unsere Satzung gab die Richtung vor. Der Rest entstand in einem für alle interessierten Menschen offenen Workshop. Neben dem Inhalt ist die Art und Weise, wie wir das Wahlprogramm erarbeiteten, sicher unser größter Impuls für die Politik in Werder. Der neue Slogan war nur konsequent:
kommunal heißt gemeinsam!
Wahlkampfslogan der Stadtmitgestalter 2019
Wahlkampfzeit ist das Gegenteil von Schonzeit. Deshalb war natürlich auch das Versagen der Leuchtturm- bzw. Thermenpolitik in Werder weiter Thema. Das Wort Blütentherme ist ein (noch inoffizielles) Synonym für Vertuschung und Unwirtschaftlichkeit und wir nutzten nun wieder jede Gelegenheit, um darauf hinzuweisen. Mittlerweile waren wir offiziell anerkannte Nestbeschmutzer, die die von der Politik und Verwaltung in Jahrzehnten mühsam erarbeitete harmonische Ruhe störten.
Doch nicht alles was wir unternahmen und forderten, stieß auf taube Ohren. Nach unserem “Stadtspaziergang Kulturmeile Eisenbahnstraße”, der ganz politisch beim Bier im Scala ausklang, beantragte doch unser Lieblingsgegner den Kauf des Kinos. Ein wirklich schönes Signal, auch wenn nach der Wahl mit dem Thema etwas stiefmütterlich umgegangen wurde.

Und dann machte sich die CDU auch noch für Radfahrer stark, was wir natürlich sehr begrüßten. Warum die CDU auf unser Lob durch Ablehnung reagierte, verstehen wir bis heute nicht.
Ein von uns gesetztes Thema toppte aber alles. Während das Wort Bürgerbeteiligung noch 2017 in Werder recht unbekannt war, entdeckten es nach unserem Begehren “Transparenz und Beteiligung im Projekt Blütentherme” plötzlich die anderen Parteien für sich und so gut wie jedes Wahlprogramm wurde entsprechend ergänzt. Das ist ein schöner Erfolg, auf den wir natürlich stolz sein können. Seit Mitte des Jahres gibt es sogar einen Bürgerbeteiligungsbeauftragten, der ein beachtliches Programm vorlegte.
Leider ging der Wahlkampf nicht so harmonisch zu Ende, wie man es an diesem Punkt vermuten könnte. Vielleicht weil es im Parlament ohne uns ziemlich langweilig geblieben wäre, bemühte die sonst sehr auf Verschwiegenheit achtende Bürgermeisterin und ihre rechte Hand die Boulevard-Presse und machten uns endlich populär. Leider war diese Werbekampagne nicht ausreichend abgesprochen und führte deshalb zu einem noch immer anhaltenden juristischen Hickhack. Vor der nächsten Wahl werden wir vielleicht einen Workshop der Parteien anregen, um so etwas besser abzustimmen. Das spart nicht nur den einzelnen Kandidaten Zeit und Nerven, sondern schont auch die Stadtfinanzen, die auch in Wahlkämpfen nicht für Staranwälte ausgegeben werden sollten.

Die Kommunalwahl war für uns ein Riesenerfolg. Aus Möchtegern-Politikern wurden Kommunalpolitiker und der Verein stellt nun zusammen mit Ingo Krüger (aka Zuppi) eine kleine aber feine Fraktion. Die CDU verlor ihre absolute Mehrheit und Aufbruchstimmung machte sich breit. Eine bunte Zählgemeinschaft, die aus allen Fraktionen außer der CDU und der AFD besteht und die rechnerische Mehrheit in der SVV hat, wollte die Macht an sich reißen. Doch da hat man die Rechnung wohl ohne den Wirt gemacht, wie sich schon bei der geheimen Wahl der neuen und alten Vorsitzenden unseres Stadtparlamentes zeigte. Angekommen in der Realpolitik nennt man das wohl. Daran musste sich eine Frische-Wind-Vereinigung erst noch gewöhnen.
Die Sommerpause wurde durch die Stadtverwaltung dann hart beendet. Sie lieferte den unbestrittenen Knaller des Jahres mit der Absage des Baumblütenfestes. Viele dachten an einen Aprilscherz, da man sich so etwas in Werder schlicht nicht vorstellen konnte. Aber es war Realität und führte zu großem Entsetzen auf der einen und – man sollte das erwähnen – freudiger Überraschung auf der anderen Seite. In Folge dieses Verwaltungsmißgeschicks ging es heiß her. Werder erlebte eine große Demonstration, die Verantwortlichen stellten sich einer Bürgerversammlung, ein neuer Verein zur Förderung des Festes gründete sich, ein Ausschuss lud Betroffene, die Zählgemeinschaft bewies ihre Uneinigkeit in dieser Frage und die öffentliche Resonanz führte zu einer sehr aufgeregten Debatte. Im Ergebnis wird es ein Fest geben, was kleiner ausfallen soll. Schauen wir mal, was daraus wird.

Neben der Debatte um das Fest setzten wir ein paar kleinere Anträge durch und nervten die Verwaltung mit einigen Anfragen, die oft eher schlecht als recht beantwortet wurden. An dieser Stelle geht auch ein Lob an die Ziemann Metallbau GmbH für den entwickelten Aschenbecher. Vielleicht kann man die jetzt Zuppis nennen?
Zum Ausklang des Jahres hatten wir noch etwas Streit mit den Verantwortlichen bei der Stadt über demokratische Prozesse. Wir wurden zum Paragraphenreiter und Mahner – eine Rolle, die uns irgendwie aufgezwungen wurde. Aber einer muss doch darauf achten, dass Regeln beachtet werden. Wenn nicht wir, wer dann?
Last but not least möchten die StadtMitgestalter den Mitarbeitern der Verwaltung danken, denen wir viel Arbeit gemacht haben. Für Außenstehende ist es immer sehr leicht zu meckern – das ist uns klar. Niemals wollten wir dabei persönlich werden und hoffen, dass sie das auch nicht so aufgefasst haben. Wir setzen auf eine gute Zusammenarbeit im nächsten Jahr und stehen jederzeit für klärende Gespräche zur Verfügung.
Und nun noch das obligatorische Gedicht, das uns alle zur Besinnung bringen möchte:
Wünsche zum neuen Jahr
Ein bisschen mehr Friede und weniger Streit
Ein bisschen mehr Güte und weniger Neid
Ein bisschen mehr Liebe und weniger Hass
Ein bisschen mehr Wahrheit – das wäre wasStatt so viel Unrast ein bisschen mehr Ruh
Statt immer nur Ich ein bisschen mehr Du
Statt Angst und Hemmung ein bisschen mehr Mut
Und Kraft zum Handeln – das wäre gut.In Trübsal und Dunkel ein bisschen mehr Licht
Kein quälend Verlangen, ein bisschen Verzicht
Und viel mehr Blumen, solange es geht
Nicht erst an Gräbern – da blühn sie zu spät.Ziel sei der Friede des Herzens
Peter Rosegger
Besseres weiß ich nicht.
Frohe Weihnachten und einen Guten Rutsch!