
“Dieser Haushalt beschäftigt sich nicht ausreichend mit den drängenden Fragen der Zeit. Er führt Werder nicht in eine moderne offene und nachhaltige Stadt.“
Sehr geehrte Frau Vorsitzende, sehr geehrte Frau Bürgermeisterin und Verwaltung, sehr geehrte Stadtverordnete und Gäste.
Die Mitarbeiter:innen der Stadtverwaltung haben sich in den letzten 18 Monaten, fast zwei Jahren neuen Herausforderungen stellen müssen. Hygienekonzepte, Homeoffice, auf Corona Infektionen und Quarantänemaßnahmen reagieren, Schnelltest zur Verfügung stellen und durchführen, Impfaktionen organisieren, Tablets für alle Schulen im ausreichenden Umfang bereitstellen, diese Liste ist bei weitem nicht vollständig, um alle neuen coronabedingten Aufgaben aufzuzeigen. Hier möchten wir für das vielfältige Engagement der städtischen Mitarbeiter unseren besonderen Dank aussprechen.
Letztlich wurden auch die städtischen Finanzen durch die Corona Krise beeinflusst. Allerdings erfreulich gering. Die Werderaner Wirtschaft hatte keinen starken Einbruch. Die Wirtschaftslage bleibt weiterhin stabil. Das ist ein gutes Zeichen.
Dennoch, der Haushalt einer Stadt ist ihre Visitenkarte. Er sollte die Pflichten, das Machbare und die Chancen in Zahlen dokumentieren. Die Bürger:innen haben das Recht einen lesbaren, verständlichen und zukunftsorientierten Haushalt zu bekommen. Und die Stadtverordneten haben das Recht, im Sinne des politischen Auftrags, den sie von den Wähler:innen erhalten haben, ohne Informationslücken und einen zeitlichen Verzug eine gut strukturierte Haushaltsdebatte zu führen.
Sehr geehrte Frau Saß, sie sind die amtierende Bürgermeisterin von Werder und Ihre Aufgabe wäre es gewesen, diese demokratische Basis zu schaffen. Das ist Ihnen leider nicht gelungen.
Nun haben wir einen Haushaltsentwurf für die nächsten zwei Jahre vor uns zu liegen, der nicht nur schwer lesbar ist, dem auch eine solide Haushaltsberatung fehlt.
Von den Fraktionen wurden nach der Beschlussvorlage vom März 2021 bis Mai die Anträge im Haushalt eingereicht. Einige von diesen Anträgen sind in den Haushaltsentwurf eingeflossen. Die Übrigen wurden weder beraten noch wurden durch sie Frau Saß dazu Fragen gestellt. Eine Kommunikation mit allen Fraktionsvorsitzenden hat es den ganzen Sommer und Herbst über nicht gegeben. Der Haushaltsentwurf wurde Ende September fertig gestellt, wohlgemerkt drei Tage nach der Ausschusswoche und erreichte die Stadtverordneten Ende Oktober. Einem Großteil der Anträge der Gemeindevertretung wurde entgegen der Geschäftsordnung §9 und §17 nicht die Möglichkeit gegeben, diese vorzuberaten, um in der Sache eine Entscheidung herbeizuführen.
Zum Entwurf selbst:
Hervorzuheben ist zunächst einmal, dass die Stadt Werder (Havel) mitnichten knapp bei Kasse ist. Im Gegenteil: Jahr für Jahr werden Überschüsse erzielt, weit höher als geplant, weil die Mittel nicht abfließen.
Die Rücklagen aus Überschüssen summieren sich auf 42 Millionen. Auch für 2021 ist nach dem Zwischenbericht zum Haushalt mit einem Überschuss von mehr als 3 Millionen zu errechnen. Mehr als 1 Million allein durch die offenen Stellen im Personalbereich.
Der Haushalt 2022 und 2023 hätte einen stärkeren Fokus auf die drängenden Probleme haben müssen, die die Stadt schon seit 10 Jahren vor sich herschiebt. Entgegenwirken der Personalknappheit, Abbau des Investitionsstaus, Werteverfall des städtischen Eigentums, Förderung der sozialen Infrastruktur.
Inhaltlich verdeutlicht der Haushaltsentwurf nicht viel Neues. Dennoch sind einige Investitionen positiv hervorzuheben:
Die dringend notwendigen Investitionen in den Schulausbau werden priorisiert. Das ist gut. Wenn gleich ein Schulstandort im Norden immer noch fehlt. Vom Verkauf der Bismarckhöhe wurde zunächst Abstand genommen. Sehr gut. Töplitz erhält ein Bürgerhaus durch Sanierung und Umbau, es erfolgt die Umsetzung der Bürgerbeteiligung zum Stadtwald, der Kulturfond, der Zukunftshaushalt, die aufgeschobenen energetischen Sanierungen in Kitas werden endlich erfolgen.
Ganz besonders freut uns, dass die Forderungen der Fraktion SMG/Ingo Krüger nach mehr öffentlichen WCs, Bänken, der Begrünung von Bushaltestellen, mehr Investitionen in die mobile und digitalisierte Arbeit der Verwaltung und die Beseitigung von Altlasten und Mülldeponien zumindest in Form höherer Rückstellungen in den Entwurf eingeflossen sind.
Und nach der Beendigung der digitalen SVV im Dezember haben sie uns noch ein Weihnachtsgeschenk gemacht und die von uns geforderte Stelle der Sachbearbeitung im Bereich Energie-, Umwelt- und Nachhaltigkeitsmanagement ausgeschrieben.
Zugleich muss auf das Unerledigte, Aufgeschobene oder schlichtweg Unbeachtete im Haushaltsentwurf hingewiesen werden.
Verstehen sie uns nicht falsch, die Verwaltung hätte die Fülle des aktuellen Haushaltes niemals abarbeiten können. Den damals geplanten Vorhaben standen zu wenig Personal und ein mit Überhängen voller Haushalt gegenüber. Das ewig gleiche Thema der Personalknappheit, was zu schleppend angegangen wird.
Auf der Liste der verschobenen oder unbeachteten Aufgaben findet sich die Sanierung des Arno-Franz-Sportplatzes auf der Insel und die Erneuerung der Dalben an der Regattastrecke. Auf unserer Anfrage im Dezember antworteten sie diffus und verwiesen darauf, dass es aktuell keine passenden Förderungen gibt. Doch Frau Saß, es gibt sogar zwei Förderprogramme, an denen Sie in den letzten zwei Jahren und ab 2022 teilnehmen konnten/können.
Verschoben wurde auch die Beschaffung von Mehrzweckrettungsbooten für die Freiwillige Feuerwehr, anders als es die 2018 beschlossene Gefahrenabwehrbedarfsplanung dringend festschreibt. Sicherlich brauchen diese Boote Stellplätze und Einlassstellen. Hört man den Kammeradinnen und Kammeraden zu, lassen sich schnell Lösungen dafür finden.
Der Etat für die Vereine und den Kulturbereich erhöht sich unzureichend, obwohl gerade diese wichtigen Ressorts in und nach der Pandemie eine starke kommunale Unterstützung brauchen.
Die Jugendarbeit und Wertschätzung beschränkt sich auf die Unterstützung des Familienzentrums. In einer Anfrage der Fraktion argumentierten Sie, dass die Kita- und Schulerweiterungen mit Millionen gefördert werden und sich somit der größte Investitionsanteil im Kinder- und Jugendbereich abbildet. Frau Saß, fragen Sie doch mal die Kinder und Jugendlichen, ob Sie den Bau von Kitas und die Erweiterungen der Schulen als Förderung der Jugendfreizeit wahrnehmen.
Am stärksten zu kritisieren ist aber der Umgang mit den von allen demokratischen Fraktionen geforderte Radwegeausbau und die Radwegesicherheit. Einen Verkehrsentwicklungsplan schreiben zu lassen, ohne die dringend erforderlichen Mittel in den Haushalt einzuplanen, spricht nicht für die Ernsthaftigkeit, mit der Sie an das Thema herangehen wollen.
Und gleichzeitig in die mittelfristige Finanzplanung ein Parkhausbau von 5 Millionen in den Haushaltsentwurf hineinzuschreiben, für das es keine, aber überhaupt keine Planungsgrundlage gibt, konterkariert jeden ernsthaften Gedanken an die Verkehrswende, die Werder so dringend braucht, wenn es nicht im Verkehr ersticken will.
Anika Lorentz
Und dazu kommt, dass keine Mittel für das Fahrradparkhaus am Bahnhof eingeplant wurden, obwohl es in allen einschlägigen Planungen vorkommt und als gesetzt gilt.
Frau Saß diese Kritik müssen sie sich gefallen lassen. Werder leidet täglich auf den Hauptverkehrsverbindungen an einem Verkehrsinfakt. Die Fußgänger:innen und die Radfahrer:innen ob groß oder klein benötigen dringend eine höhere Sicherheit und eine bessere Qualität im Straßenverkehr. Es geht um die Alltagstauglichkeit für den Rad- und Fußverkehr – weniger um die großen Projekte. Die Initiative für die Verkehrswende hat ihnen schon sehr engagiert zugearbeitet. Warum machen sie das Thema nicht zur Chefinnen-Sache?
Unsere letzte Kritik zum Haushalt gilt dem Produktbereich Klimaschutz, Natur- und Landschaftspflege. Wer nach Werder kommt wird mit einem Stadtportrait begrüßt, dass sowohl die Heilig-Geist-Kirche als auch die Bockwindmühle auf der Insel zeigt. Eingerahmt in viele Bäume und Gewässer zeigt es uns das, weshalb Touristen nach Werder kommen und viele immer wieder sagen, wir leben dort wo andere Urlaub machen. Deswegen müssen Sie uns dringend die Frage beantworten: Warum sinken die Aufwendungen von 2020 230T€ bis 2025 auf 110T€?
Dieser Haushalt beschäftigt sich nicht ausreichend mit den drängenden Fragen der Zeit. Er führt Werder nicht in eine moderne offene und nachhaltige Stadt.
Gerade weil dieser Entwurf wie ein Brennglas auf die Bereiche zeigt, die unzureichend eingeflossen sind bitten wir die Stadtverordneten unsere Anträge zur Sportförderung und zum Umweltschutz mehrheitlich zu beschließen. So können Lücken geschlossen und zukunftsweisende Maßnahmen in die Wege geleitet werden.
Sehr geehrte Gäste, liebe Stadtverordnete, unsere Gegenstimme zum Haushaltsentwurf bedeutet nicht die Abwehr eines Haushaltes. Vielmehr soll deutlich werden, dass wir gegen DIESEN Haushalt für Werder votieren. Uns ist bewusst, dass die Stadt einen Haushalt braucht, um wenigstens die darin enthaltenen Vorhaben und liegengeblieben Maßnahmen auf den Weg zu bringen. Uns geht es um eine ökologische und soziale Zukunft für Werder und dies muss sich auch in einem entsprechenden Haushaltsentwurf wiederspiegeln.
Vielen Dank
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