Die reiche Stadt Werder muss für die Therme bis 2022 rund 28 Millionen Euro Schulden machen. Weitere 40 bis 45 Millionen Euro an Schulden werden bei der HGW versteckt.
Die Fraktion Stadtmitgestalter / Ingo Krüger ist in der SVV Werder erst seit der Kommunalwahl im Mai 2019 aktiv. Da ihre Abgeordneten keine Routiniers sind, finden sie vieles am Haushalt und an der Praxis der seit 30 Jahren von der CDU bestimmten Verwaltung befremdlich. Zumal sie den Anspruch haben, auch den Bürgern und nicht nur den Abgeordneten das Mitgestalten zu ermöglichen.
Befremdlich finden die StadtMitGestalter, dass die Verwaltung den Abgeordneten den Haushaltsentwurf, keine leichte Lektüre und fast 200 Seiten dick, erst am 14. Januar übergaben. Der Haushalt soll aber schon am 12. März beschlossen werden. Dazu kommt, dass die Fachausschüsse der SVV dicht nacheinander oder sogar gleichzeitig tagen, so dass eine gründliche Prüfung und Beratung unmöglich ist.
Was der Haushaltsentwurf der Stadt Werder für 2020/2021 offenbart
Die Stadt Werder ist wohlhabend. Seit mehr als 10 Jahren gibt es jährliche Überschüsse von 3 bis 6 Millionen Euro – offenbar vor allem auch, weil die Kämmerei die Einnahmen regelmäßig zu niedrig plant. So wurden Barmittel in Höhe von 37 Millionen Euro angesammelt.
Im Haushaltsjahr 2018 wurden 789.000 Euro der eingeplanten Mittel nicht ausgegeben – davon 384.000 Euro im Bereich Jugend und Soziales. Und die Stadt kommt auch mit anderen geplanten Investitionen nicht voran. So wurden 2019 nur 12,5 Mio. der eingeplanten 21,3 Mio. Euro investiert.
Ein genauer Blick auf den Haushalt zeigt deutlich, dass die Finanzpolitik Werders in den letzten Jahren durch die Therme und ihre Kosten bestimmt wurde. Auf Seite 107 des Entwurfs steht es schwarz auf weiß: Die Therme kostet nach Plan 51.657.276 €. Davon wurden bisher 32.657.276 € ausgegeben. In diesem Jahr sollen weitere 17.500.000 € und 2021 noch einmal 1.500.000 € dazu kommen. Um es anschaulich zu formulieren: 69 % der Investitionen im Jahr 2020 fließen in die Therme.
Für das Jahr 2021 sieht der Entwurf vor, dass 58% der Mittel in den Privatschul-Campus in Glindow fließen – wie der Thermenbau ist auch das keine Pflichtaufgabe der Stadt.
Der stockende Ausbau sozialer Infrastruktur
Die Folgen der vergangenen Fehlentscheidungen der Stadt sind nun deutlich spürbar: Es fehlen Kitaplätze und Schulen. Mit dem Bau von Kitas wurde unter dem Druck der Eltern und angesichts unübersehbaren Mangels erst 2018 begonnen. Mit dem Ausbau von Schulen wird erst jetzt gestartet.
Da solche Bauten Zeit benötigen, ist vor 2022 bzw. 2024 nicht mit dem Ausbau städtischer Schulen zu rechnen. Ein weiterer Schulstandort z.B. in den Havelauen ist im Haushalt und der Finanzplanung nicht vorgesehen.
Es lässt sich feststellen, dass die Pflichtaufgaben der Stadt verdrängt oder vertagt wurden. Die Priorität lag auf der Therme. Jetzt sind bis 2024 Investitionen alleine in Schulen von 34 Mio. Euro vorgesehen.
Auch der Ausbau der Kita-Betreuungsplätze wird nun geplant. Die Kitas werden allerdings nicht aus dem städtischen Haushalt bezahlt, sondern von der HGW – der Haus- und Grundstücksgesellschaft Werder, die zu 100 % im Besitz der Stadt Werder ist. Bei der HGW sammeln sich bereits die Schulden für diese Ausgaben an. Bis 2017 waren es laut Bilanz der HGW 22 Mio. Euro und derzeit werden es rund 32 Mio. Euro sein.
Dabei hat die HGW ihre eigentliche Pflichtaufgabe, die Bereitstellung bezahlbaren Wohnraums, vernachlässigt. Seit mehr als 15 Jahren wurden von der HGW keine Wohnungen mehr fertiggestellt – abgesehen von denen, die 2012 am Firmensitz der HGW (Markt 12 -14) entstanden.
Die Finanzlage der Stadt und der HGW
Die Stadt Werder hat Barmittel in Höhe von 38 Millionen zum Ende 2018 ausgewiesen. Dazu kommen die noch nicht bekannten Überschüsse des Jahres 2019. Der Schuldenstand betrug Ende 2018 knapp 8 Mio. Euro.
Die HGW hatte Ende 2017 Schulden in Höhe von 22 Mio. Euro, die bis Ende 2019 auf mindestens 32 Mio. Euro gestiegen sein werden. (Leider weist die Übersicht im Haushaltsentwurf diese wesentlichen Kennziffern zur Vermögenslage der Stadt nicht explizit aus.) In den nächsten zwei Jahren sind neue Kredite bei der Stadt in Höhe von 20 Mio. Euro geplant und bis 2024 weitere 6 Mio. Euro. Bei den derzeit geplanten Investitionen der HGW werden mehr als 20 Mio. Euro Kredit dazukommen.
Insgesamt werden also bis 2022 bei Stadt und HGW Schulden in Höhe von ca. 70 Millionen Euro zusammenkommen; gleichzeitig sinken die Rücklagen auf null!
Noch einige Zahlen um das Bild zu vervollständigen: Für Schulen, Kitas, Straßen, Sportstätten, Wohnungen und die Therme sind bis 2024 insgesamt 106.300.000 € vorgesehen. Davon macht alleine die Therme 51 Mio. Euro aus. Und die Unterstützung einer Privatschule schlägt immerhin mit 8,2 Mio. Euro zu Buche. Dafür werden alle Barmittel verbraucht und 71 Millionen Schulden aufgenommen.
Zu Recht kann man sagen: für die normalen Pflichtaufgaben reicht das Geld in Werder gut aus, für Prestigebauten wie die Therme muss sich die Stadt allerdings hoch verschulden!