Transparenz beginnt mit eindeutiger Sprache
Die Bürgermeisterin von Werder (Havel), Frau Saß, hat in der jüngsten Sitzung des Badausschusses vorgeschlagen, die Stadt möge die Firma Schauer GmbH als Bad-Betreiberin wegen der coronabedingten Beeinträchtigungen finanziell unterstützen. Ich möchte hier nicht dieses Anliegen selbst kommentieren, sondern die Art, wie es im offiziellen Antrag zur Sprache gebracht wird. Es heißt dort nämlich, die Stadt möge „die Betreiberin der städtischen Havel-Therme… unterstützen“.
Der Leser stutzt: gibt es denn eine „städtische Havel-Therme“, oder ist die Stadt nur Eigentümerin einer Immobilie, die sie an ein Bäder-Unternehmen verpachtet hat ? War es nicht die Firma Schauer, die ihr geplantes Dienstleistungsangebot unter dem neuen Label „Havel-Therme“ vermarkten wollte, weil die ursprünglich vorgesehene Marke „Blütentherme“ durch die skandalösen Vorgänge um das frühere Bäder-Unternehmen verbraucht worden war ?
Wenn davon geredet wird, es gäbe eine „städtische Havel-Therme“, so ist das in einem eigentumsrechtlichen Sinne richtig, in einem unternehmerischen Sinne aber falsch. Die Rede von einer „städtischen Havel-Therme“ ist also mehrdeutig, und das führt zu Konfusion.
Die Stadt ist keine Bäder-Unternehmerin, die mit einer freizeitorientierten Dienstleistung unter eigenem Namen und auf eigene Rechnung am Wirtschaftsleben teilnimmt. Das will sie auch nicht. Sie hat vielmehr die Rolle einer Investorin eingenommen, welche in ihr eigenes Grundstück investiert hat. Es verhält sich vergleichbar wie mit einem bekannten Kaufhaus in Potsdam: man spricht nicht davon, dass es dort ein „Londoner Kaufhaus“ gäbe, weil der Investor und Grundstücksbesitzer in London lebt; man spricht vom Kaufhaus Karstadt.
Das Bild der Stadt als bloßer Finanzinvestorin mag überzogen und kalt anmuten, und es stimmt auch nicht völlig, aber zum größeren Teil. Zwischen dem Sportbecken sowie dem angebauten Familienbad einerseits und dem Sauna- und Thermenbereich andererseits befindet sich eine Durchgangstür, die später auch als Zahlschranke fungieren wird. Diesseits erfüllt die Stadt das, was kommunalrechtlich so trocken als „Daseinsvorsorge“ bezeichnet wird. In der Europäischen Union spricht man eleganter von „Dienstleistungen im öffentlichen Interesse“. Hier wird den Bürgerinnen und Bürgern das Schwimmen auch zur kalten Jahreszeit ermöglicht, und den Familien ein schönes Kindervergnügen geboten. Jenseits der Tür, unter dem geschwungenen Dach, enden der gemeinwirtschaftliche Bereich und die kommunale Aufgabenerfüllung. Wenn eine Kommune überhaupt in den Bereich kommerzieller Dienstleistungen investiert, dann höchstens unter den Bedingungen wirtschaftlicher Normalität, das heißt ohne öffentliche Subventionierung dieses Sektors.
Wenn in der mehrdeutigen Rede von der „städtischen Havel-Therme“ die Unterscheidung zwischen der städtischen Rolle als Finanzinvestorin und dem privaten Bäderunternehmen untergeht, dann hat das Folgen, die auf der jüngsten Sitzung des Badausschusses deutlich zu beobachten waren. Frau Bürgermeisterin Saß hat sich mit Verve dafür eingesetzt, das Bäderunternehmen in Abänderung des Betreibervertrages coronabedingt zu fördern. Keine Geschäftsführerin des Bäderunternehmens hätte das besser machen können. Als Bürgermeisterin ist sie aber nicht Geschäftsführerin dieses Unternehmens. Statt dessen müsste von ihr die Kommune vertreten werden, die sich mit Hilfe von Steuermitteln überwiegend als Finanzinvestorin betätigt hat und vor ihren Bürgerinnen und Bürgern verantworten muss, dass dies kein Verlustgeschäft ist. Wenn nicht von anderen Rednern in Erinnerung gebracht worden wäre, dass sich hier die Stadt als Investorin und ein Dienstleistungsunternehmen gegenüber stehen, das jenseits der Gemeinwirtschaft auf dem allgemeinen Markt operiert, dann wäre diese Struktur auf der Sitzung gänzlich unsichtbar geworden.
Die mehrdeutige Rede von einer „städtischen Havel-Therme“ lädt auch dazu ein, die Kommunikation zwischen (imaginierter) Geschäftsführung und Unternehmung nach dem Muster innerbetrieblicher Kommunikation zu führen. Man spricht sich informell ab, man kontrolliert nicht die Stichhaltigkeit innerbetrieblicher Auffassungen, sondern leitet sie nach Außen weiter. Kurz: dem Unternehmen wird erspart, einem Gegenüber plausibel und schriftlich zu begründen, warum eine Vertragsveränderung als unabdingbar betrachtet wird. Eine solche Begründung setzte freilich voraus, die ökonomische Balance des Gesamtvertrages zur Prüfung offenzulegen. Falls dies ohne Offenbarung berechtigter Geschäftsgeheimnisse nicht möglich wäre, könnte sie in den nichtöffentlichen Teil der Gremiensitzungen verlegt werden.
Noch eine Beobachtung der letzten Sitzung verdient Beachtung. Wo millionenschwere Geschäftsvorgänge nicht mit kaufmännischer Nüchternheit und kommunalrechtlich gebotener Rollendistanz behandelt werden, tritt eine aus dem Familienleben bekannte Dynamik zu Tage. Es dominieren dann moralische Empörung, Enttäuschung über ausbleibende Dankbarkeit über das, was als Geschenk betrachtet wird, d.h. enttäuschte Liebe, kurz: die rationale Entschärfung von Interessenkonflikten wird erschwert.
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