
Verteuerung kommunaler Dienstleistungen für Auswärtige
Am 6.9.2022 ist im Badausschuss der Stadt Werder mehrheitlich beschlossen worden, der Stadtverordnetenversammlung zu empfehlen, einen Bäderpass für Werderanerinnen, Werderaner und Gästekarteninhaber einzuführen. – „Bäderpass“ hört sich gut an. Ein Blick ins Internet zeigt, dass unter „Bäderpass“ Rabattaktionen verstanden werden (z.B. beim Bad in Konstanz oder Pinneberg). Andere Bäder, z.B. in München oder Düsseldorf, nennen ihre Rabattangebote „Bäderkarte“, oder „BäderCard“. An diesen Rabattaktionen kann jeder Badelustige teilnehmen, gleichgültig, von woher er stammt. Dagegen lässt die oben genannte Beschlussempfehlung aufhorchen. Nur für „Werderanerinnen, Werderaner und Gästekarteninhaber“ soll ein Bäderpass eingeführt werden.
Was aus der beschlossenen Empfehlung nicht hervorgeht: In der Ausschuss-Sitzung ging es zwar um die „Havel-Therme“ in Werder, aber nicht um deren gesamtes Angebot einschließlich des Thermal-, Sauna und Wellnessbereichs, sondern nur um den Sport- und Familienbereich, also diejenigen Angebotssegmente, mit denen die Stadt Werder ihrer öffentlichen Aufgabe der Sport- und Gesundheitsförderung nachkommt. Für diese Segmente sind zwischen der Stadt als Grundstückseigentümerin und der privaten Betreiberfirma Eintrittspreise vertraglich vereinbart worden, die ohnehin sozial verträglich sind. Sie sollen durch die geplante Bäderpass-Aktion auch nicht weiter ermäßigt werden. Vielmehr sollen die vereinbarten, günstigen Tarife für denjenigen Sektor, welcher zur sog. „Daseinsvorsorge“ der Kommune zählt, künftig auf die Bewohnerinnen und Bewohner Werders beschränkt und für auswärtige Besucherinnen und Besucher verteuert werden.
Der von Frau Bürgermeisterin Saß vorgetragene Vorstoß hätte also zutreffenderweise formuliert werden müssen:
„Die Stadtverordnetenversammlung möge die Stadt befugen,
den mit der Bad-Betreiberfirma geschlossenen Vertrag dahingehend zu ändern,
dass die Tarife für den Sport- und Familienbereich künftig nicht mehr für alle Nutzer, sondern nur noch für die Bewohnerinnen und Bewohner der Stadt Werder (sowie die Gästekarteninhaber) gelten.“
Es geht also nicht um einen Preisnachlass für Werderanerinnen und Werderaner, sondern darum, den Weg freizumachen dafür, die Nutzung einer Einrichtung der Daseinsvorsorge für Auswärtige zu verteuern. Diesen Vorstoß hat die Stadt weit vor dem Ausbruch des Ukrainekrieges und der steigenden Energiepreise geplant. Das Rechtsgutachten, das die Stadt zu einem solchen „Einwohnermodell“ in Auftrag gegeben hat, datiert bereits vom Oktober 2021.
Für eine Kommune ist es verlockend, vermutete oder inzwischen eingetretene Kostensteigerungen für Angebote der kommunalen Daseinsvorsorge möglichst auf die auswärtigen Besucher abzuwälzen und die eigenen Bürgerinnen und Bürger (vorerst) zu verschonen. Wer das vorschlägt, präsentiert sich den eigenen Wählerinnen und Wählern als fürsorglich und fragt nicht danach, welches Signal er damit gegenüber den Auswärtigen aussendet. Die Stadt Werder hat es nach der Wende dank geschickter Akquise vermocht, in hohem Maße öffentliche Fördermittel vom Land, dem Bund und der EU für den Ausbau der Infrastruktur zu erschließen – das zeigt sich beispielhaft an der Flächensanierung der Inselstadt. Sie ist mit dem Umland verbunden und wird nach landesrechtlichen Planungsvorgaben als Mittelzentrum in Funktionsteilung mit Beelitz geführt. Sie liegt im „Speckgürtel“ der Metropolregion Potsdam – Berlin. In Werder ansässige Bürgerinnen und Bürger nehmen öffentliche und öffentlich finanzierte Angebote dieser Region zu denselben Bedingungen in Anspruch wie deren Bewohnerinnen und Bewohner. Wer unter diesen Bedingungen und in Anbetracht der massiven öffentlichen Unterstützung in den letzten Jahrzehnten auswärtige Besucherinnen und Besucher für kommunale Leistungen zur Kasse bitten will und sich zugleich der eigenen Bevölkerung als Interessenvertreter andient, folgt einem wohlbekannten populistischen Schema. Die Absonderung der Kommunen voreinander ist jedenfalls nicht der Weg, mit wachsenden kommunalen Ausgaben klarzukommen.
In einer Veröffentlichung aus Anlass des 700-jährigen Stadtjubiläums von Werder ist 2020 ein Band mit dem Titel „Eine ganz besondere Stadt“ herausgegeben worden. Der Herausgeber formuliert im Vorwort die Leitfrage: „Inwiefern entspricht Werder dem »Normalmaß« brandenburgischer (Klein-)Städte – und worin liegt seine besondere Individualität ?“ Die politisch Verantwortlichen in der Stadt und die Stadtgesellschaft haben es in der Hand, für welche „besondere Individualität“ sie gerühmt sein wollen.
Bild: Ulrich Deppe
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