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Für Bürgerbeteiligung in Werder

„Das Glück wartet am Wasser“ – aber ein öffentlicher Steg soll geopfert werden

von Rolf Schneider & Ingo Krüger

Mit dem Slogan „Das Glück wartet am Wasser“ wird man auf der Homepage der Stadt Werder (Havel) begrüßt.

Und weiter: „Unsere Stadt ist bekannt für die historische Altstadtinsel, die Baumblüte und den Wassertourismus“. Dem ist nicht zu widersprechen. Aber warum soll dann der beliebte, öffentlich zugängliche Havelsteg an der Eisenbahnbrücke nach dem Willen der Bürgermeisterin abgerissen werden?

Rückblick
Schon zu DDR-Zeiten gab es in der Nähe der Eisenbahnbrücke eine Anlegestelle für Dampfer mit Anschluss an den nahe gelegenen Bahnhof. Auf einer Ansichtskarte von 1970 ist der Dampfersteg abgebildet. Als dieser dann in die Jahre kam und schließlich abgetragen werden musste, hat sich die Stadt Anfang der 2000er Jahre entschlossen, die gute alte Tradition fortzusetzen und einen neuen Steg zu bauen.

Dampfersteg Eisenbahnbrücke ca. 1970
Dampfersteg Eisenbahnbrücke ca. 1970 (Archiv Erhard Schulz)

Die PNN meldeten am 10. Oktober 2003, dass ein neuer Dampferanleger gebaut werden soll, der zu 50% durch das Land gefördert wird. Das Projekt sei „Bestandteil eines Konzepts des Gemeindeforums Havelseen für eine touristische Vernetzung der Region auf Wander-, Schienen- und Wasserwegen. “

Dann die feierliche Einweihung im April 2005 durch Altbürgermeister Werner Große mit Blasorchester. Die MAZ berichtete am 13.04.2005 ausführlich mit Text und Foto. „Wir reden nicht nur davon, den Wassertourismus attraktiver zu machen“ sagt Große „sondern lassen auch Taten folgen.“ Die Kosten für den neuen Schiffsanleger wurden mit 270.000 Euro beziffert (s. MAZ Beitrag).

Feierliche Einweihung im April 2005 durch Altbürgermeister Werner Große mit Blasorchester
Feierliche Einweihung im April 2005 durch Altbürgermeister Werner Große mit Blasorchester (MAZ 13.04.2005)

Steg erhalten!
Ist das nun alles Schnee von gestern, der Aufmacher auf der Internetseite der Stadt nur eine leere Phrase? Sollen die vor 15 Jahren investierten 270.000 Euro öffentlicher Mittel jetzt kurzerhand über Bord geworfen werden, weil derzeitig hier gerade keine Fahrgastschiffe anlegen?

Das Interesse und der Bedarf an öffentlichem Personennahverkehr auch auf den Wasserwegen können schnell wieder zunehmen. An dieser Stelle sind die Bestrebungen zur Wiederherstellung der Fährverbindung zwischen den Ortsteilen Phöben und der Insel Töplitz sowie von der Inselstadt zum gegenüber liegenden Wildpark-West zu nennen. Der Steg könnte in der warmen Jahreszeit oder auch während des Baumblütenfestes von Wassertaxis angefahren werden – mit Anbindung an den Regionalexpress RE1.

Der schöne große Steg wurde vor einigen Jahren überarbeitet. Die Geländer sind in tadellosem Zustand. Die Anlage ist solide gegründet, die Tragkonstruktion völlig intakt. Nur einige Bohlen des Belags müssten offensichtlich ausgewechselt werden. Die Kosten für eine Reparatur wären überschaubar. Der von der Verwaltung angestrebte Rückbau der gesamten Steganlage würde mit Sicherheit wesentlich mehr kosten. Demnächst wird unmittelbar neben der Eisenbahnbrücke eine Radfahrer- und Fußgängerbrücke mit kleinen Aussichtsplattformen entstehen. Beide Bauwerke, die Brücke oben und der schöne Steg unten direkt über dem Wasser, würden sich wunderbar ergänzen, unterschiedliche Perspektiven und Wahrnehmungen zulassen.

Der angeblich notwendige Rückbau des Stegs zur Schaffung der Baufreiheit für die Radwegbrücke (1. Beigeordneter in der MAZ vom 15.01.2020) ist frei erfunden. Im Gegenteil – unter Nutzung des Stegs könnten möglicherweise Material und Gerät für den Bau der geplanten Brücke auf dem Wasserwege transportiert werden.

Öffentlicher Steg am Bahndamm
Öffentlicher Steg am Bahndamm (Cornelia Thömmes)

Wenn dieser schöne Steg verschwindet, wird es weit und breit keine vergleichbare öffentliche Anlage am Wasser geben. Der Steg am Wasserwanderrastplatz direkt hinter dem Rathaus war lange Zeit wenigstens außerhalb der Saison noch für jedermann zugänglich. Er wurde dann vor etwa zwei Jahren privatisiert und ist seitdem für die Öffentlichkeit vollständig gesperrt. Übrigens – diese Steganlage wurde auch von der Stadt und gleichzeitig mit dem Steg an der Eisenbahnbrücke errichtet, ebenfalls aus öffentlichen Mitteln und mit 50% Förderung durch das Land. Auch dieser Steg ist nach 15 Jahren kein bisschen marode aber eben der öffentlichen Nutzung entzogen.

Die Bürgermeisterin sprach bei der Ankündigung des Stegrückbaus in der letzten Stadtverordnetenversammlung von notwendiger Renaturierung des Ufers. Das aber scheint in diesem Bereich schwer möglich, da das Ufer wegen des Schiffs- und Bootsverkehr durch die Eisenbahnbrücke mit Schotterpackungen befestigt ist. Der ökologische Effekt wäre minimal.

An der Havel wurden in den letzten Jahren unzählige private Stege genehmigt mit entsprechenden Auswirkungen auf das Ökosystem. Warum soll nun gerade dieser eine, für die Allgemeinheit so wichtige, Steg verschwinden? Der geplante Rückbau dieses öffentlich zugänglichen Steges als Ausgleich für den Bau eines neuen Steges für eine privatwirtschaftlichen Nutzung ist offensichtlich ein fauler Deal und nicht hinnehmbar.

Sind etwa in Werder (Havel) die Schildbürger auferstanden? Aber nein, das waren doch harmlose Gesellen. Dies hier dagegen ist profanes Kalkül. Ein öffentlicher Steg soll für die Genehmigung der ökologisch zweifelhaften Seesauna eines privaten Betreibers geopfert werden. Da läuft einem doch ein Schauer über den Rücken.

Kommen Sie zur Demo der StadtMitGestalter an den Steg an der Eisenbahnbrücke und machen sich selbst ein Bild! Unterstützen Sie unseren Widerstand gegen das unsägliche Vorhaben des Abrisses dieser Steganlage. Kultur wird auch geboten.

Ahoi, Steg!
Sonntag, 9. Februar 2020, 14 Uhr

unterhalb der Eisenbahnbrücke, Adolf-Damaschke-Straße, Werder (Havel)

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