Vielleicht ist es genau dieser Blick auf die Stadt, den man von diesem Ort aus hat, der den Ort so besonders macht. Der freie Blick über die Havel auf die Insel- einmalig und nur an dieser Stelle möglich. Einen Ort, der ursprünglich für einen anderen Nutzen errichtet wurde haben sich viele Werderaner zu eigen gemacht. Man angelt, legt das Boot an, führt den Hund aus, verweilt beim Spaziergang einen kurzen Augenblick, blickt in den weiten Horizont und trifft auf andere Menschen.
Der Umgang mit dem Steg ist symptomatisch für das Handeln der Stadtspitze.
Wir schaffen Leuchtturmprojekte – immer größer, immer besser. Leuchtturmprojekte, die viel Geld gekostet haben, noch kosten oder kosten werden und Kosten/Nutzen zumindest in Frage steht. Neben anderen kleinen und großen Leuchttürmen gibt es z.B. die Bismarckhöhe – Ein Projekt, vor Jahren für 5 Millionen teuer saniert, mit dem man nun ideenlos da steht und als Lösung den Verkauf anbietet.
Einst war der Steg ein zwar kleines, aber ebenso ein Leuchtturmprojekt. Mit großem TamTam wurde es vom Alt-Bürgermeister Werner Große am 23.April 2005 eingeweiht. Hier sollte damals ein Dampfer zwischen Bahnhof und Insel pendeln. Angeblich ist das aufgrund widriger Umstände nicht möglich. Die weiße Flotte hatte schon zur Bauzeit eine Absage erteilt. Gebaut wurde trotzdem- schließlich gab es Fördergelder vom Land- die muss man ja mitnehmen. Schon nach der Feierlichkeit hatte der Steg eigentlich schon ausgedient, da dieser bereits seine Schuldigkeit als Prestigeprojekt getan hatte.
Blaskapelle auf dem Boot, Lächeln in die Kamera, Band durchschneiden- fertig- kann weg. Ein sofortiger Abriss konnte aber nicht in Frage kommen, man hätte Fördergelder unter Umständen zurückzahlen müssen. Diese Frist ist nun abgelaufen. Jetzt steht dem Abriss nichts mehr im Weg. Nützlich sein kann er noch für den Bau der Fahrradbrücke, dann aber wirklich Adieu!
Wäre da nicht die Opposition, die ständig nachfragt und auch noch protestiert. Eine Sache, die unter Ausschluss der Öffentlichkeit laufen sollte, wurde in die Öffentlichkeit gehoben. Ohne dem, wäre es gelaufen wie immer. Die Stadtverordnetenversammlung und ihre Beschlüsse werden vorgeschoben. Beschlossen wird bereits im Vorfeld- der politische Wille nur suggeriert. Der Steg kommt weg. Ohne Anfrage von Bündnis 90/ Die Grünen hätte der Bürger vermutlich nicht einmal eine Information darüber erhalten. Er wäre wahrscheinlich einfach eines Tages weg gewesen.
Nun wurde durch die SVV nicht entschieden, dass der Steg nicht abgerissen wird. Dass er abgerissen werden soll, wurde aber auch noch nicht beschlossen. Es besteht also unter Umständen noch Hoffnung. Der Ordnung halber müsste zwar vor dem Abbruch ein Beschluss durch die SVV gefasst werden, da es sich um städtisches Eigentum handelt, aber es geht auch anders.
Man kann als Bürgermeisterin auch Dinge ohne Mehrheitsbeschluss entscheiden und sich die Legitimation im Nachhinein holen, wenn es zu spät ist. So kann Demokratie auch funktionieren.
So etwas nennt man Eilentscheidungen. Für diese Eilentscheidungen heben die richtigen Verordneten den Arm, da niemand die Stadtspitze in eine unangenehme Situation bringen möchte, erst recht, wenn mit Corona argumentiert wird. Davon gab es in der letzten SVV gleich drei an der Zahl:
Stellt man dazu Fragen, springt der brave CDU Verordnete schnell dazwischen und wirft einem vor, man zweifle am gesamten Handeln der Bürgermeisterin.
Die Debatte um den Steg wurde in der SVV sauber abgebügelt. Wieder einmal hat die heimliche Zählgemeinschaft CDU /AFD funktioniert. Der Antrag auf “Ende der Debatte” kam von der AFD. Zugestimmt haben selbst Teile der LINKEN und der Freien Bürger. Somit wurde eine Stellungnahme des Antragstellers verhindert. Ziemlich ungewöhnlich in der parlamentarischen Demokratie (franz. parler = reden), aber in Werder offensichtlich legitim und manchmal als letztes Mittel eingesetzt, um unbequeme Standpunkte im Keim zu ersticken. Mindestens ein Hauch von Thüringen lag in der Luft.
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