
Eine Stadtverordnetenversammlung ist eine langweilige Veranstaltung, mag der ein oder andere denken. Da debattieren Gemeindevertreter über Angelegenheiten, auf die man als Bürger*in ohnehin keinen direkten Einfluss hat. Im Vergleich zu einem Kino- oder Konzertbesuch mag das unter normalen Umständen auch stimmen.
Wer aber in Zeiten der Corona-Pandemie und der eingeschränkten Unterhaltungsbranche mal eine Abwechslung zu Netflix und anderen verbliebenen Chancen auf “Homekultur” genießen möchte, der sollte sich einen Besuch im Stadtparlament nicht entgehen lassen. Vorausgesetzt, man hat mal wieder Lust auf einen “amüsanten” Streifen wie es sie in den 70ern noch gab und es gibt genügend freie Plätze.
Zuweilen erinnern einige der gewählten Vertreter dieser Gemeinde an Schüler einer Klasse aus der Mittelstufe. Hier wird reingerufen, gehänselt und oft geht ein Raunen durch die Reihen, wenn andere Gemeindevertreter aus der Opposition ans Rednerpult gehen. “Oh nee, jetzt liest der auch noch was vor” oder “Der spinnt doch” hört man die Halbstarken halblaut und halbschlau hineinrufen.
Unvermittelt kommen einem Szenen von Filmen mit viel Klamauk in den Sinn. Ein Mitschüler geht an die Tafel, und die angestifteten Mitläufer schießen Papierkügelchen in den Nacken des Opfers, das durch den Anführer der unflätigen Lümmeltruppe zu selbigem erkoren wurde. Der Stuhl wird weggezogen, und der Schüler landet unvermittelt auf seinem Hosenboden.
Ich bin mir sicher, dass diese Szenen dem ein oder anderen aus der eigenen Schulzeit nicht fremd sind. Auch wenn mich das Verhalten der in die Jahre gekommenen Halbstarken ziemlich amüsiert, stimmt mich die Tatsache, dass diese – ausschließlich!- Männer die Weichen für eine zukunftsorientierte Stadt stellen sollen, doch etwas nachdenklich.
Was ist deren Beweggrund? Wodurch wird diesem proletenhaften Gehabe Vorschub geleistet, das den Unwillen für ein Miteinander ständig und bei jeder Gelegenheit dokumentiert? Haben denn wirklich alle Pöbelnden Angst vor der Opposition, oder ist es die Angst vor dem einen Wortführer, der seine Gefolgschaft mit heftigen Drohungen gegen die linksgrün versifften “Stadtspalter” einschwört? Folgen tatsächlich Konsequenzen, wenn man sich nicht an die Abmachungen hält, oder gibt es am Ende des Tages nur ein Bier weniger?
Einer dieser Wortführer, war sich nicht zu schade, ganz unverhohlen in der letzten SVV zu behaupten, es hätte in den letzten 30 Jahren keinen einzigen Fall von Korruption in Werder (Havel) gegeben. Diese angebliche Tatsache führte er als Argument gegen einen Antrag einer Fraktion an, die nicht müde wird darauf hinzuweisen, dass Prävention das beste Mittel gegen Korruption ist, und er stellt den vermeintlichen Gegner darüber hinaus als niederträchtig dar. Unabhängig davon, dass gerade in der Politik ein großer Teil von Korruption unerkannt bleibt, gibt es doch immer wieder Fälle von Vorteilsnahme, die aufgedeckt und bestraft werden, wie z.B. hier nachzulesen:
https://www.pnn.de/brandenburg/gefaelligkeiten/21933760.html
Es soll aber nicht den Eindruck erwecken, als gäbe es nicht auch diejenigen, die den notwendigen Anstand besitzen und trotz konträrer Meinung mit ihren sachlichen Wortbeiträgen ihre Haltung transportieren. Diese Art von Debatten zu führen macht Spaß.
Schön wäre es, wenn sich die Bürger*innen das Schauspiel auch von zu Hause aus ansehen könnten, um sich z.B. mit Popcorn und einem Kaltgetränk auch über meine Unzulänglichkeiten zu amüsieren und aufzuregen. Da sollte man als gewählter Gemeindevertreter doch schmerzfrei sein. Mehr als verständlich ist es jedoch, wenn diejenigen die Öffentlichkeit nicht an den Sitzungen teilhaben lassen möchten, die für den benannten pubertären Teil der Show verantwortlich sind.
Warum sind es ausgerechnet diese Männer, die nicht müde werden, der Jugend ein Bild von unflätigen, ungezogenen Pöblern zu verpassen?
Wir können von Glück sprechen, dass wir eine Vorsitzende haben, die dem Treiben ab und zu Einhalt gebietet und zur Ruhe aufruft.
Ein faires Miteinander wünschen wir uns doch für die gesamte Gesellschaft und wo lässt sich das besser vorleben, als in unseren Parlamenten? Dem Anderen zuhören, ihn ausreden lassen und seine Meinung akzeptieren wären erste Schritte. Wenn man den anderen dann doch von seiner Meinung überzeugen möchte, habe ich einen bahnbrechenden Vorschlag:
Argumente.
Noch besser:
Wahrheitsgetreue Argumente!
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