
Auf einem Instagram-Account verbreitet die Stadtverwaltung Werder (Havel) Beiträge der CDU und auf der städtischen Webseite wird das ausmanövrierte Bürgerbegehren als erfolgreiche Bürgerbeteiligung dargestellt.
Da dies nicht die einzigen Beispiele für eine bedenkliche und undemokratische Kommunikation sind, fordert die Wählervereinigung StadtMitGestalter, die bisherige Öffentlichkeitsarbeit der Stadtverwaltung zu prüfen. Gegebenenfalls ist eine Schulung der Verantwortlichen über die rechtlichen Grundlagen zu veranlassen.
In Hinblick auf die geplante Bürgerbeteiligung, die nur mit informierten Bürgerinnen und Bürgern funktioniert, ist eine sachliche und unparteiische Öffentlichkeitsarbeit der Stadtverwaltung zwingend notwendig.
Pflichten und Grenzen staatlicher Öffentlichkeitsarbeit
Die Stadtverwaltung hat die Pflicht die Bürgerschaft über wichtige Sachverhalte zu informieren und darf mit ihrer Öffentlichkeitsarbeit für die Stadt Werder (Havel) werben. (s. BbgKVerf §13) Um bürgerliches Engagement zu fördern, ist ein kontinuierlicher Informationsfluss zwischen Verwaltung und Bürgerschaft notwendig und wünschenswert.
Informierte Bürgerinnen und Bürger sind die Voraussetzung unserer Demokratie und der kommunalen Selbstverwaltung. (vgl. Art. 20 Abs. 1 GG) Das Demokratiegebot verpflichtet die Stadtverwaltung zu einer objektiven, umfassenden, sachlichen und nicht beeinflussenden Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. (s. S. Hezel, 2001, Seite 33) Eine Parteinahme für bestimmte politische Gruppen ist nicht gestattet. (s. PartG §5)
Vor allem an folgendem Leitsatz des Bundesverfassungsgerichtes über staatliche Öffentlichkeitsarbeit sollte sich die Verwaltung orientieren:
Den Staatsorganen ist es von Verfassungs wegen versagt, sich in amtlicher Funktion im Hinblick auf Wahlen mit politischen Parteien oder Wahlbewerbern zu identifizieren und sie unter Einsatz staatlicher Mittel zu unterstützen oder zu bekämpfen, insbesondere durch Werbung die Entscheidung des Wählers zu beeinflussen.”
BVerfG, Urteil v. 02.03.1977, Az. 2 BvE 1/76
Nachhaltiges Vertrauen kann nur geschaffen werden, wenn staatliche Öffentlichkeitsarbeit die demokratischen Spielregeln einhält. (s. René Märtin, 2009)
Im Folgenden sind einige Beispiele aufgezählt, auf die wir während unserer politischen Arbeit gestoßen sind und bei denen die dargelegten Regeln durch die Stadtverwaltung verletzt wurden.
Beispiel 1: Meinungsmache mittels Reklame (Havel-Therme Magazin)
Wenn die öffentliche Kritik an Politik und Verwaltung groß wird, ist es vielleicht verständlich, dass unter Druck Fehler passieren. Aber während des Bürgerbegehrens zur Therme und noch vor Abstimmung der Stadtverordneten über den Zuschlag machte die Stadtverwaltung eine Kampagne, die eigentlich nur durch eine Unkenntnis des bereits erläuterten Demokratieprinzips erklärbar ist.
Am 7.6.2018 kurz nach dem Start des Bürgerbegehrens führte die Stadt eine “Informationsveranstaltung” durch, in der die Vergabe des Projektes Havel-Therme an das Unternehmen Schauer & Co GmbH beworben wurde. (s. MAZ, 8.6.2018)
Darüber hinaus gab die Stadtverwaltung zusammen mit der Schauer & Co GmbH eine Informationsbroschüre heraus. Die an alle Werderaner Haushalte verteilte Broschüre, pries auf Hochglanzpapier diverse Vorzüge des geplanten Projektes an und bewarb den Unternehmer Schauer. (s. Werder/Schauer, Therme-Magazin)
Die eine Hälfte der dadurch verursachten Kosten trug die Stadt, die andere Hälfte übernahm die Schauer & Co GmbH, wie eine Einwohnerfrage auf der Bad-Ausschusssitzung am 2.7.2018 ergab.
Die Veranstaltung und die Herausgabe der Broschüre übte nicht nur Druck auf die Stadtverordneten aus, die über das Projekt am 4.7.2018 erst noch abzustimmen hatten, sondern erschwerte natürlich auch die Sammlung der Unterschriften für das Bürgerbegehren.

Nicht nur der Zeitpunkt der Herausgabe und die Finanzierung des Blattes ist fragwürdig Auch die Gestaltung, also die Auswahl der sprachlichen Stilmittel, Statements und Bilder, ist alles andere als neutral und sachlich. Von Problemen und Risiken liest man so gut wie nichts. Zum Beispiel wurde dem Leser suggeriert, dass das “Alleinstellungsmerkmal Seesauna” die Therme zu einem Riesenerfolg werden lässt. Heute ist die Seesauna – ein Wort, das 24 mal in der Broschüre auftaucht – noch nicht einmal beantragt. (s. Protokoll Bad-Ausschuss vom 8.8.2019)
Eine solche Reklame bzw. staatlicher Lobbyismus für ein Projekt und ein Unternehmen hat nichts mehr mit zulässiger Öffentlichkeitsarbeit einer Kommune zu tun.
Beispiel 2: Öffentliche Verdächtigung politischer Konkurrenten (Bild-Interview)
Drei Wochen vor der Kommunalwahl am 7.5.2019 entschieden sich die Bürgermeisterin und der erste Beigeordnete unseren Kandidaten Rachimow öffentlich einer Straftat zu verdächtigen. Beide glauben ihn auf einem Überwachungsvideo erkannt zu haben, dass Einbrecher in die Thermen-Baustelle zeigt. Es ist grundsätzlich legitim, einen Verdacht der Polizei mitzuteilen. Ein Skandal ist, dass diese Beschuldigung kurz vor der Wahl gegenüber der Boulevard-Presse (Bild, BZ) öffentlich gemacht wurde. Es muss klar gewesen sein, dass diese Aktion den Ausgang der Wahl beeinflussen kann. In jedem Fall war dies keine neutrale Pressearbeit, zu der staatliche Stellen verpflichtet sind.
Bis heute hat eine Gerichtsverhandlung nicht stattgefunden. Der Beschuldigte, der nicht in die Stadtverordnetenversammlung einzog, hat die Bürgermeisterin und den Beigeordneten seinerseits wegen Verleumdung angezeigt. (s. PNN 7.6.2019)
Beispiel 3: Einflussnahme auf Medien (falsche Richtigstellung beim RBB)
Als erste juristische Reaktion auf den Vorgang aus Beispiel 2 hatte Rachimow eine einstweilige Anordnung beim Verwaltungsgericht beantragt, um eine weitere öffentliche Beschuldigung durch die Bürgermeisterin zu verhindern. Im Verlauf des Gerichtsverfahrens gab die Bürgermeisterin über ihre Anwälte eine Unterlassungserklärung ab. Der RBB sendete diese Nachricht am 21.5.2019, woraufhin von der Stadtverwaltung Druck auf den Sender ausgeübt wurde. Die Überzeugungsarbeit der aus Steuern finanzierten Anwälte war erfolgreich. Mit dem RBB einigte man sich auf die Ausstrahlung einer “Richtigstellung” am 22.5.2019, in der behauptet wurde, dass es keine Unterlassungserklärung der Bürgermeisterin gegeben hat. Mittlerweile hat das Verwaltungsgericht klargestellt, dass es sich sehr wohl um eine Unterlassungserklärung handelte und man diese auch so nennen kann.
Es bleibt der Eindruck, dass aus Stadtmitteln bezahlte Anwälte in anspruch genommen wurden, um kurz vor der Wahl einem politischen Gegner zu schaden.
Beispiel 4: Taktische Öffentlichkeitsarbeit (Salamitaktik, Baumblütenfest)

Die Vergabe der Ausrichtung des Baumblütenfestes scheiterte aus diversen Gründen. Zunächst lässt sich feststellen, dass es der Stadt durchaus schon wenige Tage nach der Kommunalwahl klar geworden sein sollte, dass ein Scheitern der Ausschreibung droht. (s. PNN, 10.9.2019)
Am 5.4.2019 endete die Teilnahmefrist. Die Angebotsfrist endet am 5.6.2019. Doch eine Information der Bürgerschaft erfolgte erst viel später. Da hatten Bauern schon ihren Obstwein angesetzt und sich auf andere Art und Weise vorbereitet.
Über die Idee der Verwaltung, das Fest zwei Jahre ausfallen zu lassen, um es besser vorbereiten und planen zu können, kann man geteilter Meinung sein. Trotzdem ist zu verurteilen, dass wahrscheinlich aus Angst vor dem Unmut der Betroffenen die Information verzögert und nur scheibchenweise in die Presse gebracht wurde. Zunächst wurde am 11.9.2019 in einer Pressemitteilung der Ausfall für das Jahr 2020 kundgetan. (s. BZ, 10.9.2019)
Der gewählten Salamitaktik folgend, gab es einen Tag später dann die Meldung, dass das Fest auch 2021 ausfallen müsse. (s. PNN, 11.9.2019)
Etwas später konnte man lesen, dass nie behauptet wurde, dass das Fest überhaupt vollständig ausfällt. (s. WirSindWerder, 18.9.2019)
Es ist egal, was die Verwaltung mit dieser Taktik bezweckte – ob man sich erhoffte, den Besucherstrom zu vermindern oder den Unmut der Betroffenen zu verringern. Die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit einer Verwaltung ist kein taktisches Werkzeug, um bestimmten Problemen zu begegnen. Das Vorgehen hat das Vertrauen vieler Werderanerinnen und Werderaner in die Öffentlichkeitsarbeit der Stadt nachhaltig beschädigt.
Beispiel 5: Intransparenz und Falschmeldungen (Wohlthat Gebühren)
Ein weiteres Beispiel für die unprofessionelle Öffentlichkeitsarbeit ist der Umgang mit dem Bekanntwerden der Beiträge, die die Wohlthat Entertainment von den Gartenbesitzern für die Teilnahme am Blütenfest verlangte. Statt die Öffentlichkeit direkt und klar darüber aufzuklären, was es mit den Beiträgen auf sich hatte, machten der Pressesprecher und der erste Beigeordnete widersprüchliche Aussagen. (s. PNN, 8.10.2019)
Eine Abwehrhaltung und Hektik ist im Pressebüro der Stadt fehl am Platz. Stattdessen sollten Ehrlichkeit, Transparenz und Besonnenheit die Handlungen staatlicher Öffentlichkeitsarbeit bestimmen. Bezüglich der Gebühren ist dies immer noch nicht erkennbar.
Beispiel 6: Vergangenheitsbewältigung durch Verdrängen (Beteiligungsverfahren Therme auf der Webseite)

Zuletzt ging die neue Webseite der Stadt www.werder-havel.de online. Das Design und die mobile Nutzbarkeit kann man nur begrüßen. Der Bereich zu den Projekten enthält allerdings Fehler und unterschlägt wichtige Details, die es so aussehen lassen, als sei das Bürgerbegehren Therme ein erfolgreiches Beteiligungsverfahren der Stadt gewesen. Unter der Überschrift “Beteiligung Abgeschlossen” werden wichtige Informationen weggelassen und teilweise auch falsch dargestellt. (s. Webseite Stadt Werder)
Zum Inhalt des Bürgerbegehrens, das Transparenz und Beteiligung im Projekt Therme erreichen wollte, findet man nichts. Dass man der Entscheidung über die Zulässigkeit des Begehrens durch die Kommunalaufsicht mit der Unterschrift unter den Vertrag zuvorkam, wird verschwiegen. (s. Mehr Demokratie e.V., 10.8.2018)
Und vom Inhalt und der Kritik an der Entscheidung des Gerichtes und der Kommunalaufsicht liest man auch nichts. Das ist keine seriöse, sachliche und umfassende Öffentlichkeitsarbeit. Wenn Details von Ereignissen erwähnt werden, sollten die wichtigen nicht unterschlagen werden. Die Unzulässigkeit von Begehren stellt immer die Kommunalaufsicht fest, wie die Verwaltung offensichtlich immer noch nicht weiß. (s. Mehr Demokratie e.V., 5.9.2018)
Die Öffentlichkeitsarbeit der Stadt muss Sachverhalte neutral wiedergeben und darf unbequeme Details nicht weglassen. Der Pressesprecher hat die Inhalte auch nach unserer Kritik weder ergänzt noch überarbeitet. Eine Antwort hielt er bislang für unnötig.

Beispiel 7: Verbreitung von Partei-Beiträgen per Social-Media (CDU auf Instagram)
Aktuell verbreitet die Verwaltung über den Account des Touristeninformationsbüros Beiträge der CDU bei Instagram. Auch nach einem Hinweis ist eine Einsicht bei den Beteiligten nicht zu erkennen. Schließlich habe man die Beiträge ja nur “geliked” und nicht “geteilt”. Das ist allerdings unerheblich, da beides die Beiträge weiter verbreitet. (s. Instagram CDU)
Diese Aktion ist schlicht ein Verstoß gegen das Parteiengesetz. Die vom Account des städtischen Touristeninformationsbüros auf den CDU-Beiträgen gesetzten “Likes” müssen zurückgenommen werden. Auch ist fraglich, warum die Tourist-Info Beiträge des 1. Beigeordneten teilt, die eher wenig mit der Information von Touristen zu tun haben. Es muss klargestellt werden, dass so etwas zu unterlassen ist und in der Zukunft nicht wieder passieren darf. Da der Rechtsverstoß anhält, haben wir diesbezüglich die Kommunalaufsicht eingeschaltet.
Fazit: Eine Prüfung der städtischen Öffentlichkeitsarbeit ist notwendig
Die dargelegten Beispiele lassen erkennen, mit welchem falschen Selbstverständnis die Verwaltung in Werder (Havel) Öffentlichkeitsarbeit betreibt. Die von der Verfassung geforderten Regeln wie Neutralität, Unparteilichkeit und Sachlichkeit werden immer wieder mißachtet. Deshalb fordern die StadtMitGestalter die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Stadtverwaltung Werder (Havel) zu prüfen, die vorhandenen Verstöße zu beenden und eine Schulung der verantwortlichen Stellen zu veranlassen. Die Schulung muss die rechtlichen Grundlagen staatlicher Presse- und Öffentlichkeitsarbeit vermitteln und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Stadtverwaltung für das Thema sensibilisieren. Ein entsprechender Antrag an die Stadtverordnetenversammlung wird auf der Mitgliederversammlung des Vereins am 6.11.2019 mit der Fraktion besprochen.
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